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Jule Brand (li.) und Sjoeke Nüsken (re.) sind im deutschen Nationalteam Führungsspielerinnen. Im Verein kommen sie hingegen wenig zum Einsatz.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Hendrik Gräfenkämper

Wenig Spielzeit und trotzdem gegen Frankreich dabei: So hebelt Bundestrainer Wück das Leistungsprinzip aus

Viele Nationalspielerinnen kämpfen mit wenig Einsatzzeit. Beim schweren Spiel im Nations-League-Halbfinale gegen Frankreich sollen sie trotzdem liefern – das stößt auch auf Kritik.

Stand:

Normalerweise gehören Jule Brand und Sjoeke Nüsken zu den Stützen im deutschen Fußballnationalteam der Frauen. Bei der Europameisterschaft im Sommer führten sie ihr Team mit wichtigen Toren und guten Leistungen bis in Halbfinale gegen Spanien.

Eigentlich würde man Ähnliches in den anstehenden beiden Halbfinalspielen in der Nations League gegen Frankreich von ihnen erwarten. Die Ausgangssituation ist diesmal allerdings eine ganz andere.

Brand und Nüsken sind zwei von mehreren deutschen Nationalspielerinnen, die im Ausland spielen, dort aber mitunter nur wenig Spielzeit erhalten. „Die Spielzeiten sind definitiv nicht hoch. Die Entwicklung in diesem wichtigen Punkt geht mir immer noch zu langsam voran“, sagte Bundestrainer Christian Wück kürzlich in einer Medienrunde in Frankfurt/Main. „Einige Nationalspielerinnen spielen im Verein zu wenig, nicht nur in der Frauen-Bundesliga, sondern auch im Ausland.“

Während Nüsken in der vergangenen Saison fast immer von Beginn an für den englischen Meister FC Chelsea auflief, scheint Trainerin Sonia Bompastor mittlerweile nicht mehr auf die 24-Jährige zu setzten. In der Women’s Super League bestritt sie bislang kein einziges Spiel von Beginn an, einzig in der Champions League kam sie zu zwei Startelfeinsätzen. Gegen Paris FC lief sie allerdings als Rechtsverteidigerin auf und nicht wie gewohnt im zentralen Mittelfeld.

Bei Jule Brand und OL Lyonnes stellt sich die Lage nicht ganz so schwierig dar, doch auch sie kommt nur sehr unregelmäßig von Anfang an zum Einsatz. In der französischen Division 1 Féminine kann sie drei Startelfeinsätze bei fünf Spielen verzeichnen, in der Champions League nur einen bei zwei Begegnungen. Nun gehören Lyon und Chelsea zu den absoluten Topteams im internationalen Frauenfußball. Trotzdem stellt sich die Frage, inwiefern es eine Fußballerin leistungstechnisch weiterbringt, bei solch einem großen Verein zu spielen, wenn sie nur wenig zum Einsatz kommt.

Mehrere Nationalspielerinnen im Formtief

Ähnlich ergeht es Sydney Lohmann, die im Sommer vom FC Bayern zu Manchester City wechselte. Die 25-Jährige spielte erst einmal von Beginn an und kommt in den weiteren drei Einsätzen in der Women’s Super League auf jeweils nicht mal zehn Minuten Spielzeit. Dass Bundestrainer Wück alle drei für die kommenden Länderspiele nominierte, ist angesichts ihrer enormen Qualität verständlich – trotz fehlender Spielpraxis. Und während es logisch erscheint, dass er für Brand, Nüsken und Lohmann das von ihm oftmals betonte Leistungsprinzip aushebelt, erscheint eine solche Ausnahme bei einigen anderen Spielerinnen nicht unbedingt schlüssig.

Da wären etwa Laura Freigang (Eintracht Frankfurt), Lea Schüller oder Linda Dallmann (beide FC Bayern), die in ihren Vereinen zwar regelmäßig eingesetzt werden, in dieser Spielzeit aber noch nicht an ihr Leistungsmaximum kommen. „Wir hoffen, dass wir Laura wieder in die Spur kriegen, wollen Mittel und Wege finden, um ihr zu helfen“, sagte Wück bei der Kaderbekanntgabe vor einer Woche über Freigang. „So eine Schwächephase nach einem Turnier haben einige Spielerinnen.“

Auch Shekiera Martinez, die zum ersten Mal für das A-Nationalteam nominiert wurde und vom Spielertyp der verletzten Giovanna Hoffmann gleicht, gehört bei West Ham United zur Stammelf. Die Stürmerin kann allerdings ebenso wenig an ihre starken Leistungen aus der Vorsaison anknüpfen.

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Tore erzielte Leverkusens Vanessa Fudalla in sieben Spielen. Trotzdem wurde sie nicht für das DFB-Team nominiert.

Umso überraschender waren etwa die Nichtnominierungen von Vanessa Fudalla oder Sophie Zdebel, die beide bei Bayer Leverkusen eine starke Saison spielen und weder für das A-Team noch für die U 23 berücksichtigt wurden. „Ich war schon sehr enttäuscht. Ich habe schon zwei Jahre Erste Liga bei Leipzig gespielt und habe mich in Leverkusen nochmal gesteigert“, meinte Fudalla jüngst im „Frauen.Fußball.Podcast“. „Ich spiele da konstant sehr, sehr gut und habe schon das Gefühl, ich habe es verdient.“ Die 24-jährige Angreiferin kommt in der laufenden Spielzeit auf fünf Tore und zwei Vorlagen in sieben Bundesliga-Spielen.

Tatschlich scheint für Christian Wück die aktuelle Form seiner Spielerinnen nicht die allerhöchste Priorität zu haben, was nicht gerade optimistisch auf das erste Duell mit Frankreich am Freitag (17.45 Uhr, ARD) blicken lässt. Die Außenseiterrolle gegen die Französinnen dürfte daher vielleicht noch nie so groß gewesen sein.

Zumindest wenn man einmal vom EM-Viertelfinale absieht, in dem sich das DFB-Team trotz 107 Minuten Unterzahl durchsetzte. „Ich glaube, es wird ein komplett neues Spiel. Wir werden nicht den Fehler machen und zu viel an das Viertelfinale denken“, sagte Wück. „Die Französinnen gehören zu den Topnationen im Frauenfußball gehören. Wir wissen aber, was wir abrufen müssen, um auf Augenhöhe zu sein und dann wird wieder das Spielglück entscheiden.“

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